Rezensiertes Werk
Schneider, Etienne (2023). Neue deutsche Europapolitik. Währungsunion und Industriepolitik zwischen Eurokrise und geopolitischer Wende. Frankfurt am Main, Campus Verlag. 546 Seiten. Gebundenes Buch. 48,00 EUR. ISBN 9783593517865Abstract
Vor dem Hintergrund der aktuellen geopolitischen Umbrüche und Krisentendenzen des exportlastigen Wirtschaftsmodells der BRD analysiert Etienne Schneider, welche Interessen und Konflikte dem Wandel der deutschen Europapolitik zugrunde liegen. Anhand der Auseinandersetzungen um eine gemeinsame europäische Verschuldung im Zuge der Coronakrise und um Deutschlands industriepolitischen Kurswechsel seit 2019 zeigt er, warum Deutschlands ordoliberales Selbstbild zusehends bröckelt und was das für die europäische Wirtschaftsintegration bedeutet. Angesichts der neuen Dynamik geopolitischer Konkurrenz bzw. der Gefahr des Abstiegs des deutschen Produktionssystems in der internationalen Arbeitsteilung war die deutsche Bundesregierung dazu bereit, von ordoliberalen Prinzipien abzurücken und sich französischen Positionen anzunähern. Da progressive und solidarische Alternativen zur dominanten Krisenpolitik in der EU in der Vergangenheit insbesondere am Widerstand Deutschlands scheiterten, liefert die Analyse der deutschen Positionsverschiebungen – also der Bruch mit marktliberalen Prinzipien in der Industriepolitik bzw. mit dem fiskalpolitischen Tabu einer „Schulden- und Transferunion“ – wichtige Anhaltspunkte für die Debatte um die neoliberale Ausrichtung der europäischen Wirtschaftsintegration sowie die progressive Reformierbarkeit der EU.