Abstract
Die Mindestlohn-Richtlinie gehört zu den wichtigsten arbeits- und sozialpolitischen Maßnahmen, die auf europäischer Ebene verabschiedet wurden. Sie kann zu einem Gamechanger im Kampf gegen Erwerbsarmut und soziale Ungleichheit werden. Sowohl durch Maßnahmen, die auf ein angemessenes (gesetzlichen) Mindestlohnniveaus abzielen, als auch jene die eine Stärkung der Tarifverhandlungen fördern. Der erhebliche Legitimationsverlust des europäischen Integrationsprojekts in der europäischen Bevölkerung hat dabei eine wichtige Rolle gespielt. Die Kommission hat erkannt, dass sie mit dem Krisenmanagement 2008/2009 den neoliberalen Bogen überspannt hat und dass maßgebliche Korrekturen notwendig sind, um der europakritischen Stimmung zu begegnen. Auch die Konstellation im Rat trug dazu bei; einerseits wollte die französische Regierung die Mindestlohn-Richtlinie noch während ihrer Ratspräsidentschaft abschließen, andererseits stellte der Regierungswechsel in Deutschland die Weichen dafür, dass die die Richtlinie sicher ins Ziel gelangte. Die konkrete Bedeutung der Mindestlohn-Richtlinie entscheidet sich letztlich in ihrer Umsetzung auf nationaler Ebene. Sowohl in Ländern mit gesetzlichen als auch in jenen mit tarifvertraglich festgelegten Mindestlöhnen.