Kollektivverträge in 24 europäischen Ländern 2000-2017: Ursachen und Veränderungen des Deckungsgrads

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Zitationsvorschlag

Mesch, Michael (2020). Kollektivverträge in 24 europäischen Ländern 2000-2017: Ursachen und Veränderungen des Deckungsgrads. Wirtschaft und Gesellschaft 46 (3), 409–453. 10.59288/wug463.5

Abstract

Thema des Artikels sind die Niveaus, Veränderungen und Einflussfaktoren des kollektivvertraglichen Deckungsgrads in 24 europäischen Ländern zwischen 2000 und 2017. Ausschlaggebend für das Niveau des Deckungsgrads war in erster Linie die Verhandlungsebene. Die Auswertung zeigt, dass 2017 ein Deckungsgrad von über 50% auf zweierlei Weise erreicht werden konnte:

  • durch überbetriebliche Kollektivverträge in Verbindung mit Erga-omnes-Regelungen und Allgemeinverbindlicherklärungen.
  • durch überbetriebliche Kollektivverträge in Verbindung mit einem hohen Organisationsgrad der Gewerkschaften, wie in Dänemark und Schweden. Letzterer beruhte auch auf staatlicher Organisationshilfe, nämlich dem Gent-System.

Während der Großen Rezession richteten sich in einigen der von der Krise besonders betroffenen und deshalb von der Troika finanziell unterstützten Ländern neoliberale Arbeitspolitiken insbesondere gegen überbetriebliche KV und Extensionen. In diesen Ländern (GR, RO, P, IRL) sank der kollektivvertragliche Deckungsgrad stark oder sogar dramatisch. Sehr ausgeprägt war die Erosion des Deckungsgrads auch in den beiden Transformationsländern Slowakei und Bulgarien, wo Branchen-KV weiter an Boden verloren.

Da die organisatorischen Machtressourcen der Gewerkschaften schwächer wurden und insbesondere die sinkende Tendenz des Organisationsgrads anhielt, nahm die Bedeutung staatlicher Unterstützungen zugunsten der überbetrieblichen KV für das Erreichen eines hohen kollektivvertraglichen Deckungsgrades zu.

In Bezug auf die dominante Verhandlungsebene, den kollektivvertraglichen Deckungsgrad, die Regulierungskapazität der KV und die Lohnkoordinierung wird eine Tendenz zu verstärkter Divergenz der nationalen Arbeitsbeziehungssysteme deutlich. Den nord-, mittel- und südeuropäischen Ländern sowie Slowenien mit dominanten überbetrieblichen KV, überwiegend hohem oder sehr hohem Deckungsgrad, gut ausgeprägter Regulierungskapazität des KV-Systems und gesamtwirtschaftlicher Lohnkoordinierung standen die Transformationsländer (außer SLO), Großbritannien, Irland und Griechenland mit dezentralisierten Kollektivverhandlungen und einer Deckungsquote i. d. R. unter einem Drittel sowie geringer Regulierungskapazität gegenüber.

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